Nein, unser Logo ziert kein sterbender Baum. Daraus könnte man mit Sicherheit ebenfalls eine nette Metapher stricken, aber der Tod ist kein Thema, welches man unbedingt so prägnant für seine Außenwirkung nutzen würde. Gut, das Kreuz der Christen findet sich auch auf einer hinreichenden Zahl von Grabsteinen, aber wir wollen uns ja auch nicht unnötig mit denen gemein machen, die wir zu kritisieren suchen. Im Grunde haben wir überhaupt kein Symbol im klassischen Sinne, kein Halbmond oder eben Kreuz (ob mit oder ohne Haken) – so etwas impliziert eine ideologische Beständigkeit. Statt eines Symbols haben wir uns deshalb ein Prinzip zu eigen gemacht. Jenes der fraktalen Geometrie.

Ein Fraktal ist dabei ein befremdlicher Typus von Körpern, welcher zuerst von Benoit B. Mandelbrot beschrieben wurde und der sich durch ein hohes Maß an Selbstähnlichkeit auszeichnet: Nähert man sich ihm, behält er im Detail die Struktur des Ausgangszustandes, entfernt man sich, so gilt das gleiche. Natürlich lässt sich das in der Realität (und erst recht auf einem Plakat oder dergleichen) nur unzureichend abbilden, eine ewige Vergrößerung würde schließlich an ihre physikalischen Grenzen stoßen, doch die Idee sollte auch auf unserem Logo zu erkennen sein: Ein Stamm mit identischen Verästelungen, an denen sich wiederum weitere Zweige befinden, etc. – Der Baumbezug drängt sich immer wieder auf. Tatsächlich handelt es sich bei diesem spezifischen Fraktal um einen idealisierten, sogenannten Pythagoras-Baum, welcher sich auf Basis einer simplen Konstruktionsvorschrift mit Hilfe des Satzes des Pythagoras zeichnen lässt.

Warum nun also dieses “Prinzip” anstelle eines Symbols? Eine feste Doktrin von vermeintlicher Wahrheit, die sich adäquat durch ein einzelnes Zeichen verkörpern lässt ist uns zuwider. Wir streben zwar nach Wissen, sehen aber gleichzeitig mit Popper, dass absolute Erkenntnis für uns unzulänglich evolvierte Kreaturen ein Wunschtraum bleibt. Stattdessen haben wir nur Hypothesen, mit denen wir der Wahrheit stehts näher zu kommen versuchen, Fehlschlag um Fehlschlag. Diese epistemische Bescheidenheit ohne das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren und in einen postmodernen Relativismus zu verfallen, für den jede Form von vermeintlichem Wissen gleichwertig ist, ist es, was für uns die wissenschaftliche Methode ausmacht. Wenn man es genauer bedenkt, ist das Fraktal im Grunde als Metapher für den Erkenntnisprozess der modernen Wissenschaften zu deuten: Ausgehend vom breiten Stamm unserer Alltagserfahrungen ergeben sich zahllose Fragen, deren Beantwortung Äste neuen Wissens sprießen lassen, welche in diesem Sinne als Äquivalent der verschiedenen Disziplinen (Physik, Mathematik, Ökonomie, etc.) zu deuten wären. Doch auf der Basis dieses Wissens ergeben sich in jeder Disziplin nur neue Fragen, deren Beantwortung Zweige aus den Ästen treibt und so weiter und so fort. An den Grenzen des menschlichen Wissens, an den kleinsten Verästelungen, möchte man verzweifeln, doch wenn

man das große Ganze betrachtet, sieht man den prächtigen Baum der Erkenntnis, der von Tag zu Tag dichter zusammenwächst und den Fortschritt unserer Spezies, unsere Emanzipation von der Natur verdeutlicht, wie es kaum ein anderes Zeugnis unserer Schaffenskraft zu leisten vermag.
Unabhängig von dieser kleinen Versinnbildlichung verbleibt jedoch ein weiterer Grund, der unsere Sympathien für das Fraktal begründet: Es verkörpert Komplexität, welche sich aus einfachsten Regeln entwickelt. Die Schönheit und vermeintliche Ordnung der Welt in Flora, Fauna und Geologie ließ eine Vielzahl großer Denker der Vergangenheit zum scheinbar unvermeidlichen Schluss kommen, dass es einen “Designer” geben müsse, der für all das verantwortlich sei. Tatsächlich muss man ehrlich anerkennen, dass diejenigen, die dies bestritten, keine wirklich überzeugende Alternative präsentieren konnten. Erst Darwin und die Evolutionstheorie, so grausam und fremdartig sie de facto auch sein mag, zeigten mit welch bemerkenswert simpler Eleganz der Algorithmus zu Werke geht, der alles Leben in seiner jetzigen Form schuf. Die fraktale Geometrie veranschaulicht diese Tendenz der Welt komplizierteste Strukturen aus simpelsten Gesetzmäßigkeiten folgen zu lassen:

Das Prinzip der Selbstähnlichkeit versteckt sich in unzähligen Formen in der vorgeblichen “Schöpfung” – Flüsse, Wasserfälle, Blätter, Bäume, Canyons, Blitze, Wolken, Pfauenfedern, Farne, Gebirge, Eiskristalle, Wassertropfen, … Sie alle weisen fraktale Strukturen auf.
Schlussendlich sind Fraktale jedoch vor allem seltsam: Gerade
dreidimensionale Fraktalstrukturen (besser gesagt solche mit einer Dimension zwischen 2 und 3) ermöglichen dank moderner Computertechnik einen Blick in eine vollkommen fremdartige Welt, die die
unterschiedlichsten Formen annehmen kann. Hierin wird
fundamentale Andersartigkeit dessen klar, was hinter den sehr eng
gefassten Grenzen unseres evolutionären Bezugsrahmen auf Basis des
mathematisch-physikalischen Bezugssystems, welches unsere Welt
beschreibt, existiert. Alles, was wir als gegeben und vertraut, als
“natürlich” wahrnehmen, enthüllt sich vor diesem Hintergrund als
Spezialfall blinder Gesetzmäßigkeiten, die unserer gegenüber indifferent
sind.
Also nochmal: Mathematisches Prinzip, natürliches Phänomen, Sinnbild der existenziellen Irrelevanz des Menschen im Kosmos – aber definitiv KEIN sterbender Baum.