Ein Text zur Winter Solstice.
Die Wintersonnenwende ist die längste Nacht des Jahres. Sie markiert den Beginn einer Zeit der Kälte und Dunkelheit.
Für junge Zivilisationen war dies die Zeit, in der man, wenn man über das Jahr hinweg nicht ausreichend Vorräte angelegt hatte, hungern oder sogar sterben würde, ehe der Frühling zurückkehrte. Wer nicht der kollektiven Weisheit des Stamms gefolgt war, wer nicht vorausgeplant und dabei alle geistigen und körperlichen Mittel eingesetzt hatte… den würde das Universum in seiner gleichgültigen Neutralität ohne Zögern vernichten. Und selbst wenn man sich vorbereitet und hart gearbeitet hatte, konnte man trotzdem sterben. Denn Fairness ist keine Konstante in den Gleichungen des Kosmos.
Und in jedem Winter kam die Sonnenwende. Die Welt wurde dunkel und kalt. Die Sonne verschwand und wir waren allein mit dem blassen Mond und den unvorstellbar weit entfernten Sternen. Das bedeutete nicht nur, dass Hunger und Kälte den Tod brachten, es bedeutete auch, dass die kosmischen Kräfte uns verlassen und uns den Rücken gekehrt hatten. Und das Einzige, was wir tun konnten, war, ihnen zu Ehren Opfer zu bringen und eine Feier zu feiern und zu beten, dass sie uns nicht für immer zürnen würden, dass die Sonne wiederkehren und die Welt neu geboren würde.
Aber die Dunkelheit war kein Zufall und keine willkürliche Laune. Die Menschen bemerkten schnell ein Muster im Zorn der Götter. Das Wetter mag komplex und unvorhersehbar scheinen, aber die Bewegungen des Himmels folgen klaren Regeln, die selbst unsere ältesten Vorfahren mit einfachen Mitteln verstehen konnten. Und sie stellten sich diese brennende Frage: “Wann verlässt uns die Sonne, und wann wird sie wiederkommen?”
Und weil ihnen diese Antwort wirklich viel bedeutete, konnten sie nicht in Unwissenheit verharren. Weil sie ihre Ernte planen und sich richtig auf den Winter vorbereiten mussten, damit ihre Familie nicht verhungerte, konnten sie nicht einfach hoffen, dass die Götter irgendwann wieder gutmütig sein und den Sommer zurückbringen würden, sie mussten genau wissen, wann das geschehen würde. Weil sie echte Erkenntnis brauchten, mussten sie Wissenschaft entwickeln. Und so wurde die Astronomie geboren. Und wir errichteten Stonehenge.
Lasst uns für einen Moment darüber nachdenken, wie unglaublich wichtig uns die Frage nach der Wiederkehr der Sonne war. Stonehenge ist ein uraltes archäologisches Wunder. Nach allem, was wir wissen, wurde es ab 3000 v.Chr. als Begräbnissstätte genutzt. Im Laufe der nächsten tausend Jahre wurde es schrittweise errichtet, mit größeren Phasen der Arbeit alle paar Jahrhunderte. Zwischen 2600 und 2400 v. Chr. wurde besonders viel gearbeitet. Riesige Steine wurden über große Entfernungen herangeschafft, um ein Monument zu erschaffen, dass schon über fünftausend Jahre währt und von dem man im 16. Jahrhundert annahm, es könne nur vom Zauberer Merlin mit magischer Kraft errichtet worden sein.
30 Sarsensteine. Die kleineren wiegen 25, die größeren 50 Tonnen, und sie wurden über 25 Meilen herangeschafft. 80 Blausteine, mit jeweils 4 Tonnen, wurden über 150 Meilen transportiert – in einer Zeit, in der die Technologie zum Bewegen schwerer Gegenstände daraus bestand, runde Holzscheite auszulegen und die Blöcke darauf zu rollen. Die Steine sind mit Gravuren verziert, die in mühevoller Arbeit mit den einfachen Mitteln der Jungsteinzeit angefertigt wurden. Über 20 Millionen Mannstunden flossen in die Bearbeitung der Steine und die Errichtung der Anlage, 20 Millionen Stunden, in denen nicht Nahrung gefunden, Hütten errichtet, Spiele gespielt oder sich ausgeruht werden konnte.
Wir wissen nicht genau, wie unsere Vorfahren es geschafft haben, und kennen nicht alle ihre Gründe für dieses monumentale Werk. Aber wir kennen einen Grund. Die Megalithen in Stonehenge sind spezifisch angeordnet, um die Sonnenwenden vorherzusagen, bis auf den Moment des Morgengrauens genau. Über zweihundert Jahre lang haben wir 120 Steine, über Meilen und Meilen hinweg herbeigeschafft, nur um den Moment der Sonnenwende angemessen zu zelebrieren. Wir haben dieses Meisterwerk geschaffen, um diesem Moment einen würdigen Rahmen zu verleihen – mit kolossalen Steinblöcken, präzise ausgerichtet auf den Moment des Sonnenaufgangs. So wichtig war uns diese Frage.