Das Parlament der Zyniker – Eindrücke aus dem StuPa

HU Berlin

Bericht von der dritten Sitzung des 25. Studierendenparlaments der Humboldt-Universität zu Berlin

Der folgende Text ist persönlich gefärbt und beabsichtigt nicht, ein vollständiger, absolut objektiver und chronologisch korrekter Bericht des Geschehens in der dritten Sitzung des 25. Stupa zu sein. Dafür verweisen wir auf das Protokoll, was irgendwann auf der Stupa-Website hochgeladen werden sollte. Es ist eher eine subjektive, ausschnittartige Darstellung unserer Wahrnehmung, geschrieben von den anwesenden Mitgliedern der SHBH. Proceed with caution!

1. Ein befremdlicher Einstieg

Das Stupa, Vertretung der gesamten Studierendenschaft, findet sich zusammen. 18:30 ist offizieller Beginn, 18:50 geht es richtig los. Punkt 1 auf der Tagesordnung: Begrüßung.
“Hallo”, sagte das Präsidium kurz. Dann kann es auch schon losgehen.

Nach einer kurzen Kritik der Liste Power of Science an Fehlern im Protokoll der letzten Sitzung geht es los mit den Mitteilungen und Berichten. Besonders auffällig dabei: J. aus dem RefRat, dem Organ, das die Beschlüsse des Stupa umsetzt und die laufenden Geschäfte der Studierendenschaft erledigt. Statt Informationen aus den sechzehn Referaten gibt es allerdings von J.AutoAlk nur eine monoton vorgetragene, hastige und lustlose Liste von Stichpunkten ohne hörbare Satzzeichen, aus denen auf die Schnelle nur Stichworte wie “Ämter-Memory”, “Sitzungs-Wirrwarr” und noch ein Dutzend weitere kreative zusammengesetzte Substantive. Was uns das über die Arbeit des RefRat sagen soll? Wir haben keine Ahnung, aber uns darüber aufzuklären war J. offensichtlich auch kein Anliegen, nach seinem leiernd heruntergerasselten Text verlässt er schnellstmöglich das Podium. Wir verbleiben irritiert. Er kommt verdammt arrogant herüber – natürlich können wir nicht sagen, ob das seine Absicht oder unsere Wahrnehmung ist, aber es hinterlässt einen unangenehmen Beigeschmack. Sollte das Stupa nicht informiert sein über das, was im RefRat vor sich geht?

Konsequenzen der Arroganz?

Springen wir etwas vor: nach den Berichten kommen die Wahlen und Bestätigungen. Das Referat für Öffentlichkeitsarbeit, das für Antirassismus, das für Lehre und Studium und das für Ökologie und Umweltschutz müssen unter anderem neu besetzt werden. Die Wahlen laufen wie immer ausgesprochen unkontrovers ab (hey, wir sind froh, wenn jemand sich engagiert und den Job macht!), nur beim Referat für Öffentlichkeitsarbeit gibt es eine Überraschung.
Die beiden Bewerber M.LinkeListe (Referent) und J.AutoAlk (Co-Referent) stehen zur Wahl, doch nur M. stellt sich am Mikro vor. Darauf fragt K.Power of Science, ob denn J. nicht auch noch eine Vorstellung abgeben wolle. Dieser reagiert genauso lustlos und aus unserer Wahrnehmung herablassend wie bei seinem Bericht aus dem RefRat. Die Wahl findet statt, und Überraschung: M. ist gewählt, J. hingegen nicht! Eine Seltenheit im Stupa. Ob es an seiner Einstellung lag oder andere Gründe hatte, ist natürlich nicht zu sagen.

Auf unsere Nachfrage an das Öffentlichkeitsreferat, nach welchem Maßstab eigentlich die Räume vergeben werden, die für Veranstaltungen an der Uni zur Verfügung stehen – ob es da z.B. irgendwelche Regeln gibt – erhalten wir als Antwort: es entscheidet sich nach Bedürftigkeit, z.B. ob die Organisation leicht genug Geld hätte, anderswo einen Raum zu mieten, und nach der persönlichen Einschätzung des (einzelnen) Referenten. Was wir schon am eigenen Beispiel erlebt haben, wird hier nochmal bestätigt: Raumvergabe unterliegt der persönlichen Sympathie und Meinung des jeweiligen ÖffRef-Referenten. Na super. Immerhin verspricht und M., mal mit dem ÖffRef darüber zu reden. Irgendwelche klaren Regeln wären ja mal schön.

Wir kommen zu den Anträgen, die den Rest des Abends füllen werden. Die Hauptarbeit des Stupa, bei der über Vorschläge und Initiativen entschieden wird.

Aufatmen: Solide Arbeit für die Studierenden

Das FinRef bittet um Entlastung des Haushalts. Sie machen nach unserem Eindruck verdammt gute Arbeit und das Stupa stimmt natürlich dafür. Ebenfalls unseren Respekt verdienen die Menschen vom Schwangerschafts-Sozialfonds und Miete-Sozialfonds (beides Anträge das SemTix betreffend), die sich dafür einsetzen, dass die Studierenden es etwas leichter im Leben haben, gerade wenn sie in schwierigen Situationen sind. Ihre Anträge werden angenommen, und das mit Recht, wie wir finden!

Arbeiterlieder für alle!

Wesentlich mehr Diskussion gibt es dann beim StudKal, dem Studierendenkalender, der anscheinen allen Erstis zugänglich gemacht wird. Er enthält neben einem Kalender nützliche Informationen zur Orientierung an der Uni.
Ein Stupa-Mitglied der FSI Charité diskutiert darüber, ob wir wirklich insgesamt grob 8000€ und davon einen nicht geringen Anteil für Druckkosten ausgeben wollen, und warum wir nicht in einer günstigeren Druckerei z.B. im Ausland drucken. Die Gelder des Stupa sollen doch den Studierenden zu Gute kommen, warum nicht die Differenz in den Sozialfonds packen? Die Gegenseite (z.B. L.LuSt) hält dagegen, dass eine solche Umlage von Geld nicht so einfach machbar sei und es die Pflicht des Stupa sei, soziale Druckereien mit fairen Arbeitsbedingungen zu fördern, die ja auch bessere und flexiblere Verhandlungspartner seien. T.Power of Science fragt dann, warum im StudKal eigentlich 26 Seiten kommunistischer Arbeiterlieder abgedruckt sein müssen und warum der StudKal nicht politisch neutral bleiben kann. Die Gegenseite verteidigt dies damit, dass die Studierenden ja auch die Arbeiter von morgen seien und sie dadurch auf ihre Rechte z.B. als studentische Hilfskräfte aufmerksam gemacht würden. Wir halten das für eine absolut fadenscheinige Begründung und die politische Färbung des Kalenders, der ja für alle Studierenden da sein soll, für ziemlich gewagt, die grundsätzliche Idee des Kalenders aber trotzdem für unterstützenswert. Der Kalender-Antrag wird angenommen.

Zwei weitere Anträge kommen von studentischen Gruppen, die als Iniativen anerkannt werden wollen. Der Zweck im Wesentlichen: Räume für Veranstaltungen vom RefRat zu bekommen. Sie ahnen nicht, wie katastrophal ihr Anliegen scheitern wird.

Die fiesen TEDx’ler

Die erste der beiden Initiativen hat den Plan, TEDx an die HU zu bringen. Die Studierenden aus Psychologie, Jura und Humanmedizin (bald weitere) wollen einen interdisziplinären Austausch der Fachrichtungen mit ihrem Projekt fördern. Doch ihnen schlägt harter Gegenwind entgegen.
Die Idee, dass dieses Projekt das Prestige der Universität fördern könnte, wird als widersprüchlich mit einer studentischen Initiative wahrgenommen, welche dezidiert die Studierendenschaft und nicht die Uni fördern soll. Dem Projekt wird vorgeworfen, nur denjenigen eine Plattform zum Sprechen zu geben, die sowieso schon eine Stimme haben, z.B. Professoren (als wäre Rederecht ein Nullsummenspiel). Relativ standhaft weisen die Antragsteller*Innen darauf hin, dass sie durchaus auch eine ganze Reihe von Studierenden in ihren Reihen haben, doch das geht unter. Auch dass sie ein Social StartUp, dass sich für günstige Bildung für Geflüchtete einsetzt, als Kooperationspartner gewonnen haben, hilft ihnen nicht. Stattdessen wird gefragt, ob sie denn eine klare politische Einstellung haben – die Antwort lautet, dass die Talks zu den Themen Kultur, Wissenschaft, Technik etc. nicht politisch sein sollen, was zu heftigem Protest führt. Sie können nicht unpolitisch sein. Schlussendlich wurde unterstellt, dass es sich um ein profitorientiertes Projekt handelt (was laut Antrag nicht der Fall ist), und dass man genauso gut “MercedesX” an die Uni holen könne. Der Antrag wird abgelehnt.
Wir lernen: Professoren, StartUps und vor allem die etablierte Uni sind böse, auch wenn sie eine kostenlose, freie Erweiterung des Bildungsangebots (auch für Geflüchtete) anbieten. Schön, dass wir das geklärt haben.

Die bösen Karrieristen

Als zweite versuchen die Antragsteller*innen von European Horizons ihr Glück. Sie versuchen, den Initiativenstatus für ihre Veranstaltungsreihe zur Zukunft Europas zu erhalten. Zum Glück für sie beschreiben sie sich als dezidiert an ein linkes und grünes Publikum gerichtet. Doch das nützt ihnen nicht viel. Es wird hinterfragt, warum das eine studentische Initiative sein solle, die Antragsteller*innen meinen, es sei eben eine Gruppe von Studierenden, die mit anderen Studierenden an diesem Projekt arbeiten will, warum also nicht? Ihnen wird nahegelegt, sie sollen sich an die Fachschaften wenden. Sie sagen, die haben sie an das Stupa verwiesen. Dann kommt noch der Vorwurf auf, “Chapter” und “Thinktank” seien furchtbar neoliberale/karrieristische Begriffe, und das Ganze sei ja nur eine Karrieförderungsmaßnahme. Der Antrag wird abgelehnt.

Jetzt wird es spannend: Ein Antragsteller stellt die entscheidende Frage. “Was muss man denn tun, um als Iniative anerkannt zu werden? Was sind die Voraussetzungen?”
Die knappe und augenöffnende Antwort: “Initiative ist genau das, was vom Stupa als solche anerkannt wird.”
Anders ausgedrückt: Nur was dem Stupa politisch, inhatlich oder ideologisch gefällt, darf eine Initiative werden. Das ist die geltende Regel.

Der ganz normale Wahnsinn

Bühne frei für einen absoluten Troll: Die Liste AutoAlk hat einen Antrag eingebracht, der so absurd ist, dass wir ihn hier einfach zitieren müssen:

Das StudierendenParlament missbilligt hiermit ausdrücklich die Beeinträchtigung der Sichtachse durch das sogenannte „Berliner Schloss“ vom Vorhof des Hauptgebäudes in Richtung beispielsweise der beispiellos zeitlosen Architektur des Nikolaiviertels. Die Präsidentin der Humboldt-Unversität, Prof. Dr-Ing. Sabine Kunst, sowie deren Vertretung, Prof. Dr. Horst Bredekamp, werden dazu aufgefordert, ihre Mitgliedschaft im Stiftungsrat der Stiftung „Humboldt Forum im Berliner Schloss“ dazu zu nutzen, um auf einen Wiederabriss des sogenannten Schlosses direkt nach seiner Eröffnung hinzuwirken. Um den unsäglichen Streit um das Kreuz auf der Kuppel des sogenannten Schlosses schnell zu beenden, sollen die Vertreter_innen im Stiftungsrat sich dafür einsetzen, bis zum Wiederabriss auf der Kuppel eine Statue Rosa Luxemburgs mit seitlich ausgestreckten Armen zu installieren – alles andere wäre Ikonoklasmus .“

Eine von zahlreichen Lachanfällen durchbrochene Diskussion folgt. Es wird vorgeschlagen, eine Brauerei an Stelle des Stadtschlosses zu errichten. Die müsste dann aber unterirdisch sein. Wegen der Sichtachse.

T.Power of Science bittet, ja fleht gerade darum, das Stupa möge sich nicht der kompletten Lächerlichkeit preisgeben. L.LuSt bringt das ganze Parlament zum Lachen, als sie antwortet: “Willst du etwa behaupten, das Stupa habe keine politische Relevanz?!” An diesem Punkt wissen wir nicht mehr, ob das ironisch gemeint ist. Fassungslos beobachten wir, wie die Abstimmung beginnt.

Das Stupa, das eben in der gleichen Sitzung zwei ernst gemeinte, vielleicht diskutable, aber sicherlich produktive Initiativen abgelehnt hat, entscheidet sich, den Antrag anzunehmen. 18 Stimmen pro, 14 dagegen. Für einen offensichtlichen Troll-Antrag. Wir schämen uns an dieser Stelle zu sehr, um noch einen Redebeitrag abzuliefern.

Was soll das? Warum werden sinnvolle Initiativen mit destruktiven, teilweise zynischen Kommentaren auseinander genommen, und offensichtlicher Blödsinn angenommen? Ist das die Art, wie wir die Studierendenschaft vertreten?
Die ausdrückliche Missbilligung der Beeinträchtigung der Sichtachse ist jetzt die offizielle Position der Studierendenschaft. Natürlich nimmt das niemand ernst. Und das ist auch gerade das Traurige. Herzlichen Glückwunsch, Stupa.

Mehr Demokratie an der Uni? Doch nicht für die dummen Studierenden!

An dieser Stelle sind wir alle erschöpft, es ist kurz vor Mitternacht, wir hatten viele Anträge (nicht alle in diesem Text erwähnt), und viele Enttäuschungen. Es verbleibt der letzte Antrag, eingebracht von der Säkular-Humanistischen Liste und der Liste Power of Science.

Der Inhalt des Antrags ist kurz zusammengefasst die Bildung eines Zweierteams von Stupa-Mitgliedern für jede Sitzung, und zwar aus zufällig gewählten Listen, die eine Kurzzusammenfassung der Sitzung schreiben und diese an alle Fachschaften versenden, auf die Website packen, wenn möglich an die Uni-Zeitschriften senden und auch sonst auf jedem möglichen Weg verbreiten, damit möglichst viele Studierende sich einen Überblick über die Vorgänge im Stupa machen können.

Es gibt eine Menge Kritik. Einiges davon sind berechtige Nachfragen, unter anderem von LLuSt, die eine Menge durchdachte organisatorische Anmerkungen hat. Manche Einwände wären nicht nötig gewesen, wenn die Fragesteller*innen den Antrag vorher gelesen hätten, aber that’s life.
T.LinkeListe unterstellt, dass die Power of Science doch gar kein echtes Interesse daran habe, die Studierenden zu informieren, da sie ja vorhin bei dem Antrag über den StudKal dagegen argumentiert hätten, Informationen über die Uni mit aufzunehmen. Das ist nicht wahr, wie schon erwähnt richtete sich die Kritik von T.Power of Science gegen die Arbeiterlieder.

Die Debatte bewegt sich in Richtung der Gründung einer Arbeitsgruppe, die eine überarbeite Version des Antrags ausarbeitet. Doch dann kommt es zu einem Wortbeitrag, der für uns symptomatisch für die Einstellung einiger Stupa-Mitglieder ist.

T.LinkeListe sieht keinen Sinn in dem Versuch, die Studierenden mehr über die Vorgänge im Stupa zu informieren. Er zitiert eine nicht näher genannte “Studie”, nach der Studierende die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfischs, bzw. eine Aufmerksamkeitsspanne kürzer als ein Youtube-Video haben. L.Säkulare Humanisten weist ihn darauf hin, dass das ja wohl eine inakzeptable Haltung gegenüber den Studierenden sei, die uns ja schließlich gewählt haben, während die Parlamentarier der FSI Charité entsetzt über soviel Pseudowissenschaft das Gesicht in den Händen vergraben. Das Präsidium muss T.LinkeListe kurz darauf beinahe wegen seiner ständigen Zwischenrufe rauswerfen.
Anscheinend haben einige Menschen im Stupa den Eindruck, dass die allgemeine Studierendenschaft zu ignorant/dumm/uninteressiert sei, um sich mit der Hochschulpolitik zu beschäftigen beziehungsweise unsere Mühe wert zu sein. Na schönen Dank auch!

Der Antrag wird letztendlich geändert auf die Gründung einer Arbeitsgruppe, die ein verfeinertes Konzept ausarbeiten soll. Das allgemein todmüde Stupa nimmt den Antrag an.

Am Ende möchte ein Stupa-Mitglied noch J.AutoAlk ein Abschiedsgeschenk in Form einer Flasche Wein überreichen, doch er stürmt demonstrativ wütend hinaus.

Damit endet die 3. Sitzung des 25. Stupa.

Wir haben gelernt:

  • Das Stupa nimmt nur Initiativen an, die ihm politisch in den Kram passen. Objektive Regeln gibt es dafür jedenfalls nicht.
  • Studierende sind dumme Goldfische / Youtube-Glotzer, oder so, und jedenfalls nicht der Mühe des Stupa wert
  • Arbeiterlieder sind essentiell für jeden Studierenden
  • Das Stupa repräsentiert die Studierenden am besten, in dem es sich selbst mit Troll-Anträgen demütigt
  • Und ja, eine Menge Menschen machen trotz alledem gute Arbeit, z.B. die Leute vom Semesterticketbüro und vom Referat für Finanzen. Danke dafür. <3