Sommerloch und Instrumentalisierung

Von Zeit zu Zeit wird im Stupa die Forderung laut, die Studierendenvertretung solle sich allgemeinpolitisch ausrichten und auch zu Themen außerhalb der Universität arbeiten. In den letzten Wochen und Monaten ist der umgekehrte Fall eingetreten: die Politik- und Medienlandschaft richtet verstärkt ihr Interesse auf die Vorgänge an der HU, und anscheinend haben alle etwas beizutragen. Ein kurzer, unvollständiger Überblick aus Perspektive unserer Liste.

Konflikt und Annäherung

Der Tagesspiegel berichtet über die Klage der HU gegen die Studierendenvertretung, sofern diese nicht die Namen der Referent*innen offenlegen, der RefRat nimmt Stellung dazu und die JuSos beschreiben die Vorgänge auf ihrer Seite als einen Angriff auf Demokratie und die Autonomie der Studierendenschaft und als „Teil der AfD-Strategie, linkes und antifaschistisches Engagement durch Anträge und Anfragen möglichst zu verhindern.“

Der Streit geht in die nächste Runde, und der Tagesspiegel berichtet, dass der RefRat bereit ist, mit der Unileitung zusammenzuarbeiten – sofern gewisse Datenschutzbedenken berücksichtigt werden. Im Klartext heißt das: Der RefRat will von der Unileitung eine Garantie, dass die Namen an niemanden weitergegeben werden, da sie in den Händen der AfD landen könnten, wodurch die Referent*innen in persönlicher Gefahr schweben würden, vor allem, wenn sie sich für LGBTI oder Antifaschismus engagieren. Auf der anderen Seite verlangt die Unileitung, dass die Namen oder weitere Diskussion herausgerückt werden. Die Auskünfte seien nur für die Senatskanzlei bestimmt. Die Studierendenvertretung befürchtet allerdings, dass die Senatsverwaltung ihrerseits die Namen weitergeben könnte.

Breites Medienecho

Auch die taz, VICE, Deutschlandfunk, Welt, Spiegel, Forschung und Lehre, Focus, Junge Freiheit und Berliner Zeitung berichtet im Wesentlichen gleichlautend über den Konflikt. In der faz ist zu lesen, der RefRat bezichtige die HU-Leitung in einer Pressemitteilung indirekt, mit der AfD gemeinsame Sache zu machen. „Dass es aber doch zuallererst Studenten waren, die die offenbar undemokratische Praxis des Refrats kritisierten, und in deren Namen zu sprechen die Studentenvertretung vorgibt, erwähnt der Refrat, der alle Vorwürfe von sich weist, in seiner empörten Erwiderung nicht.“
Die Berliner Grünen stellen sich in einem Interview tendenziell hinter die Studierendenvertretung. Der Begriff Postengeschacher ist beinahe zum geflügelten Wort geworden. Die CDU-Fraktion Berlin fordert „mehr Transparenz“, und meint, die „Studierendenvertretung soll die Interessen aller Studenten vertreten und sich nicht selbst mit Jobs versorgen“. Schön, dass der CDU die Interessen der Studierenden anscheinend so am Herzen liegen – der Beitrag ist aber auch nichts weiter als eine symbolische Geste, und enthält keine tiefere Analyse der Vorgänge an der HU.

Viel Lärm um Nichts?

In den Medien wird mehr oder weniger treffend über den Streit berichtet, der eigentlich auf eine Formalität in der Kooperation zwischen Präsidium und RefRat hinauslaufen sollte. Die Univerwaltung hat sowieso schon die meisten Namen. In den Sitzungsprotokollen sind sie mit etwas Mühe auch so gut wie vollständig zu finden. Und der RefRat ist sogar bereit, eine Liste herauszugeben – unter der Bedingung, dass die Unileitung die Liste nicht an direkt oder indirekt die AfD weitergibt. Die Unileitung wiederum hat kein Interesse, der AfD-Fraktion irgendwelche Daten zugänglich zu machen, aber will die Liste an die Senatskanzlei weitergeben und signalisiert Bereitschaft, die Klage zurückzuziehen. Es scheint also, als fehlen nur einige Zentimeter und etwas guter Wille von beiden Seiten zu einer Einigung.

Instrumentalisierung und Eskalation

afd Die AfD ist, soweit wir vermuten, selbst hellauf begeistert von dem großen Medienecho, und klopft sich selbst auf die Schulter, als haben sie im Alleingang die Demokratie an der Universität gerettet. Die Art und Weise, wie sie die aktuelle Situation für sich vereinnahmen, noch Öl ins Feuer gießen und die Interessen der Studierenden für ihre Zwecke instrumentalisieren, ohne irgendein tieferes Verständnis für das, was in der Studierendenvertretung vor sich geht, ist ausgesprochen frustrierend. Dabei übernehmen sie, in einer bitteren Ironie, gerade die Unterstellungen vor allem der IYSSE, dass alle studentischen Bestrebungen um Nachvollziehbarkeit, Partizipation und Transparenz Teil eines mysteriösen und perfiden Plans der Rechten seien. Gerade durch die permanente Wiederholung der Behauptung, dass Transparenz an der HU irgendwie mit einer AfD-Agenda gleichzusetzen sei, gewinnen die selbstzufriedenen Kommentare nun überhaupt an Legitimität. Dabei waren es eigentlich die kritischen Artikel der Unauf, welche die Debatte angestoßen hatten – eine Initiative aus der Mitte der Studierenden heraus. Wir sind der Meinung, dass es besser gewesen wäre, die AfD und andere Parteien von Anfang an außen vor zu lassen, und sich eben ausschließlich auf pragmatische und zielorientierte Vorhaben zu konzentrieren, statt zwanghaft das Schlimmste zu unterstellen, wie es die IYSSE gern zu tun scheint.

iysseWo wir gerade bei der IYSSE sind: Sie schreiben in ihrem aktuellen Artikel „Verteidigt den RefRat! Stoppt die rechtsextreme Verschwörung an der Berliner Humboldt-Universität!“ kommt in etwa einhundert Sätzen ganze fünfundzwanzig Mal der Name „Baberowski“ vor, und als Sahnehäubchen gibt es einen ganzen Absatz Hitler-Vergleich obendrauf. Das kommt von der gleichen Gruppe, die sich im persönlichen Gespräch partout weigert, auf die vollkommen ernsthafte Frage einzugehen, ob man sich für bessere Partizipationsmöglichkeiten der Studierenden einsetzen könne, ohne gleichzeitig ihrer Meinung nach automatisch für rechte Ziele einzutreten. Viel Freude beim Lesen ihres Beitrags.

Außerdem hat die Berliner Zeitung anscheinend inzwischen von der Quotierung der Redeliste an der HU erfahren, die bereits seit mehreren ‚Legislaturperioden‘ regelmäßig bestätigt wird. Die Beendigung der Debatte findet derzeit statt, wenn sich nach drei hintereinander folgenden Männern keine Frau meldet – in einem solchen Fall wird die Redeliste geschlossen und nach den drei Männern die Debatte beendet. Dabei werden Männer und Frauen als „sich als männlich identifizierende“ und „sich als weiblich identifizierende“ Personen definiert.

Der BZ-Artikel benutzt Formulierungen wie: „Wenn nämlich eine sich weiblich identifizierende Person gar keine Frau sondern ein Mann ist“, durch die deutlich wird, wie sehr hier vollkommen verschiedene Welten aufeinander prallen. Polemisch stellt der Artikel dann auch noch „Gender-Theorie“ mit „Unbildung“ gleich.

(Hier klicken für eine Abschweifung mit unserer Ansicht zum Thema)

Natürlich herrscht auch auf Twitter kein Mangel an polemischen Unterstellungen, gehässigen Bemerkungen und Virtue Signalling. Wer möchte, kann sich damit auseinandersetzen, wir haben aber die Beobachtung gemacht, dass Menschen sich dort selten von ihrer konstruktivsten Seite zeigen.

Will somebody *please* think of the students?

Was in der ganzen erhitzten Debatte komplett untergeht, sind die eigentlichen Interessen und Belange der Studierenden. Die Namen der Referenten zu kennen, wäre gut, ist aber eigentlich nicht das drängendste Problem. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Die Referate sollten aktuelle Websites haben, auf denen man sich schnell einen Überblick über ihre Arbeit verschaffen kann. Die Arbeit des Stupa sollte nachvollziehbar und allgemeinverständlich sein. Die Studierenden sollten wenigstens einen groben (!) Überblick über die Nutzung der Finanzen bekommen könne, der leichter überschaubar ist als die ausführlichen Haushaltsrechnungen. Die Wahlbeteiligung und das Interesse an der Hochschulpolitik sollten gesteigert werden. Wir brauchen einen Ersatz für Hu-an-Studis. Und Wahlen für Ämter in den Referaten sollten breit angekündigt werden, nicht nur vergraben auf Websiten die weniger als ein Promille der Studierendenschaft je gesehen hat.

Im Partizipationsausschuss werden diese und andere Themen hoffentlich noch diskutiert. Die aktuelle Berichterstattung der Medien verbeißt sich jedoch in das Streitthema, dass Universitätsleitung und Studierendenschaft unnötig entzweit, ohne wirklich viel für die Studierenden zu bewirken.